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 Café BilderBuch.Berlin.Pressespiegel.
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Die Chanso-Nette ist da

Eigentlich ist Jeannette Urzendowsky Ärztin in Neukölln. Doch ihre Leidenschaft sind die frechen Lieder aus den Zwanzigern, mit denen sie die Berliner Cafés erobert.

"Mensch Puppchen" nennt sie ihr Programm - ohne Komma zwischen den Worten. Gemeint ist: Puppchen - du Mensch. Du Mädel mit der Schlagfertigkeit eines Berliner Herzens, gesegnet mit realer Romantik, Jöre mit det jewisse jehörije Jefühl. Ist das Original-Idiom eigentlich ausgestorben oder versickert in der auswärtigen Lautmalerei der zugezogenen Rucksackberliner? "Puppchen, du bist mein Augenstern, Puppchen, hab dich zum Fressen gern", sangen Oma und Opa, und wenn man Jeannette Urzendowsky hört und sieht, ahnt man, was sie sich vielleicht darunter vorgestellt haben. Nette - so die Berliner Kosekurzform der hugenottischen Johanna - ist mit ihrem roten Strubbelhaar, den großen Augen, die ernste und heitere Geschichten miterzählen, und dem frechen breiten Mund so etwas wie "Mutterns Beste": Friedrichshain, Schöneberg und Prenzlauer Berg in einem. Als wollte sie sagen: Kiek ma, wir sind nämlich ooch noch da.

Jeannette Urzendowsky singt Berliner Lieder. Mit ihrem Programm "Mensch Puppchen" gastiert die Chansonette mit Angela Stoll oder Stefanie Rediske am Piano und Schauspieler Bernd Ludwig oder Burkhard Schwerbrock als Sprecher in Cafés, Salons und auf Kleinkunstbühnen. Das spricht sich schnell ’rum, dass da eine kleine Person die schönen alten, mal lauten, mal besinnlich-romantischen und irgendwie unsterblichen Lied-Geschichten von Mädchen und Frauen im Berlin der 20er Jahre zurückholt und neu durchlebt. Jeannette Urzendowsky hat die Gabe, "mit Schisslaweng und Schnettereteng" zu beweisen, dass die Macht der Gefühle in den Liedtexten von Tucholsky, Hollaender oder Wiener ungebrochen und aktuell geblieben ist durch die Jahrzehnte.

Sie nimmt das, was sie da singt, ernst - und lässt doch immer wieder die Ironie durchklingen. O Mond, kieke man nich so doof, wenn ick abends nach Hause loof! Die Chansonette ist: feine Dame, kesse Biene, Kuschelkätzchen, freches Luder. Natürlich geht es wieder wider die Kerle, "diese Stückchen Unjemach". Emil ist dabei und seine unanständ’ge Lust, Nowak, der sie nicht verkommen lässt. Jeder kriegt sein Fett weg - und jeder wird irgendwie geliebt. Plötzlich ist diese Art musikalischer Denkmalpflege frisch. Gefühle altern nicht.

Das Interessante dabei: Der neue Stern am Himmel des Berliner Chanson kommt aus ganz anderen Gefilden. Jeannette Urzendowsky guckt eigentlich den Patienten ihrer Neuköllner Praxis in Hals, Nasen und Ohren. Das hat sie studiert. Aber nun stellt sich heraus, dass die Gene ihrer künstlerischen Leidenschaft kräftiger sind. Schon in der zweiten Klasse in Friedrichshain wird ihre Stimmbegabung entdeckt, Hans Naumilkat holt sie in seinen Rundfunk-Kinderchor, bis zum Abitur lernt sie auf der Händel-Oberschule, einer Spezialschule für Musik, und singt im Konzertchor. "Die Musik hat mich berührt und nicht mehr losgelassen", sagt sie. "Als ich 14, 15 war, bin ich den Liedern von Claire Waldoff, Zarah Leander, Marlene Dietrich und Edith Piaf verfallen - das war wie Parfüm und hatte etwas Mondänes." Vater aber wollte, dass wenigstens eines der fünf Kinder sein Medizin-Fach studiert.

Plötzlich, 1993, beginnt Nette, Gassenhauer und Chansons zu sammeln, was schon verdächtig ist, "dann platzte die Bombe": Neben der HNO-Praxis beginnt die Ausbildung zur Gesang- und Schauspiel-Praxis, "zehn Prozent sind Talent, der Rest ist harte Arbeit."

Die Chanso-Nette möchte sich eines Tages ganz der großen Kleinkunst hingeben. Wer das Temperamentsbündel mit Herz und Gefühl auf Berliner Brettern trifft, darf sicher sein, dass er dem Besonderem begegnet: "Alle Welt will Comedy und Entertainment - und ick komm mit den zwanziger Jahren." Genau das ist es ... Lothar Heinke

"Mensch Puppchen", abgerundet durch gesprochene Texte von Irmgard Keun und Erich Kästner, am 11.1. und 1. 2. 2004, 19 Uhr und 7.2., 20 Uhr im Café BilderBuch, Akazienstraße 28 (tel. Reservierung 78706057). Schwartzsche Villa am Rathaus Steglitz, 23.1., 20 Uhr (Tel. 4272640). Mulackritze im Gründerzeitmuseum Mahlsdorf, 30.1., 20 Uhr (Tel.: 5678329). Infos im Internet unter: www.chanson-nette.de.

Quelle: Der Tagesspiegel, 30. Dezember 2003.

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Der Inhalt dieser Seite wurde am 22.05.2016 um 15.58 Uhr aktualisiert.
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