Heute im Café BilderBuch
Tanzen mit DJ Schellack
Platten zählen? "Nee, das ist mir zu doof!" Stephan Wuthe., 37, sammelt nicht um des Sammelns willen. Aufs Stichwort fischt der 1,91-Meter-Hüne mit der Präzision einer Musikbox seine Schellack-Scheiben aus dem Regal, während er den geschichtlichen Hintergrund seiner Swing- und Jazzraritäten referiert.
Schätzungsweise 5000 Platten werden es wohl sein, die Wuthe in seiner Charlottenburger Wohnung lagert. Jeden ersten Montag im Monat schnappt er sich die Highlights der Sammlung und bietet Musikbegeisterten aller Altersklassen im Café Bilderbuch Hörgenuss und Tanzvergnügen der Extraklasse. Ab 18 Uhr lässt Wuthe als Schellack-Schallplattenunterhalter die Rillen knacken, bis der Tanzboden wackelt.
Zu den Stammgästen zählt auch Filmemacher Philipp Müller-Dorn. Mit Tanzpartnerin Lizzy legt er zum Rhythmus von Tommy Dorseys "Boogie Woogie" einen heißen "Lindy Hop" aufs Parkett und genießt es sichtlich: "Die Musik ist sinnlich, gleichzeitig locker und man kann beim Tanzen herrlich improvisieren", so der smarte Swing-Boy.
Dass die alten Schellackstars eine kleine Renaissance erleben, dafür sorgt Stephan Wuthe nicht nur als DJ. Unter dem Label "Antikbüro" presst er Schellack-Klassiker von einst auf moderne CDs. Um das Knistern aus den alten Aufnahmen zu filtern, tüftelt er schon mal bis zu fünf Stunden an einem Drei-Minuten-Stück. Doch der Aufwand lohnt sich: "Unsere Tonqualität wird derart gepriesen, dass wir sogar schon Radio Alaska mit unseren CDs bestückt haben", verrät Wuthe.
Mittlerweile steht die Veröffentlichung des 10. Albums der Antikbüro-Edition kurz bevor: "Klarinettenzauber 1941-1948" mit Franz Teddy Kleindin. Zur CD-Release-Party am 12. Juni beim "Salon im Turm" (Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg) wird der 90-jährige Ausnahmeklarinettist höchstpersönlich erwartet. Dazu gibt's eine Stepptanzshow und Swingmusik vom Damenorchester Salomé - dem Jubilar zu Ehren sogar live!
[ i ] Café Bilderbuch, Akazienstr. 28, Schöneberg, weitere Infos unter www.antikbuero.de oder Tel. 318 072 79
Alex Heinen
Quelle: BZ Kultur, 7. Juni 2004, S. 27.